Bistum Hildesheim schreibt neue Aufarbeitungsstudie zu sexualisierter Gewalt aus
Forschungseinrichtungen können sich bis Ende Juni für das Vorhaben bewerben
Das Bistum Hildesheim hat eine neue Aufarbeitungsstudie zur Aufdeckung von sexualisierter Gewalt und anderen Formen physischer und psychischer Gewalt in der Diözese ausgeschrieben. Dabei hat sich das Bistum eng mit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Nord (UAK Nord) abgestimmt und den Betroffenenrat Nord einbezogen.
Ziel der Studie ist es, Taten zu benennen, Täter zu identifizieren sowie Verantwortliche und Bedingungen aufzudecken, die Taten ermöglicht oder begünstigt haben. Eine besondere Aufmerksamkeit liegt zudem auf den Folgen, die Taten für Betroffene und Co-Betroffene hatten und nach wie vor haben.
„Im Bistum Hildesheim hat es über viele Jahre immer wieder Fälle von sexualisierter Gewalt gegeben, die ganz klar als Verbrechen einzustufen sind. Das hat zu unfassbarem Leid bei vielen Betroffenen geführt. Wir stehen heute in der Verantwortung, betroffenen Menschen zu helfen, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten und alles dafür zu tun, dass sich so etwas nicht wiederholt. Mit der neuen Studie wollen wir nun den Blick auf die jüngere Vergangenheit und bis in die Gegenwart hinein richten“, sagt der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ, der Auftraggeber der Studie ist.
Das Untersuchungsvorhaben soll aus zwei Teilstudien bestehen, die den Zeitraum von 1945 bis 2024 abdecken. Angestrebt wird ein multiperspektivisches und interdisziplinär angelegtes Vorgehen, das insbesondere einer intensiven Aktenauswertung und Gesprächsführung bedarf. Die zwei Teilstudien sind sowohl methodisch als auch inhaltlich unterschiedlich ausgerichtet.
Im Bistum Hildesheim gab es mehrere Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, in denen es sehr wahrscheinlich zahlreiche Fälle von sexualisierter Gewalt gegeben hat. Teilstudie A soll daher diesen Bereich in den Blick nehmen, um Strukturen herauszuarbeiten, die Gewalt ermöglicht haben. Teilstudie B stellt insbesondere die Lebensgeschichten von Betroffenen und Co-Betroffenen in den Fokus, befasst sich aber ebenso mit Tatverdächtigen und kirchlichen Systemen wie Pfarrgemeinden, in denen sexualisierte Gewalt vorgekommen ist.
In beiden Teilstudien sollen sich exemplarische Detailuntersuchungen (sogenannte „Tiefenbohrungen“) mit einer begründeten Auswahl von Einrichtungen, Gemeinden und Tätern befassen. Die Teilstudien können an unterschiedliche Auftragnehmer vergeben werden.
Geplant ist zunächst ein Untersuchungszeitraum von zwei Jahren. Da die Studie prozesshaft angelegt sein soll und aus den Teilergebnissen neue Fragen entstehen können, ist eine Verlängerung möglich. „Wir möchten, dass es während des Untersuchungszeitraums regelmäßige Zwischenberichte gibt. Wir verstehen Aufarbeitung als einen Prozess, der keinen klar definierten Schlusspunkt hat, sondern eine dauerhafte Verpflichtung für uns darstellt“, sagt Martin Richter, Leiter der Stabsabteilung Prävention, Intervention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Bistum Hildesheim.
Für die Studie bewerben können sich Hochschulen sowie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen mit sozialwissenschaftlicher, historischer, psychologischer und juristischer Kompetenz. Bewerbungsschluss ist der 30. Juni 2024. Die neue Studie wird nach zwei Studien in den Jahren 2017 und 2021 das dritte umfangreiche Aufarbeitungsvorhaben im Bistum Hildesheim sein.